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Zwischen Hedonismus und Mülldeponie

Weltweit grassiert seit 2 Jahren eine Pandemie und verbreitet dabei Angst und Schrecken – nur ein Land scheint davor immun. Auf der Flucht vor dem neblig, grauen und vor allem unfassbar langweiligen Winter (keine Weihnachtsmärkte, kein Spaß – ausschließlich Kälte) hieß es also für mich mit der gewohnten Arroganz einer privilegierten weißen Frau: ab nach México. Olé!

Einmal um den Erdball schwimmen, das lässt die aktuelle Konditionen der Wohlstandsgesellschaft nicht zu, daher also ab in den Flieger – ab ins Paradies. Wo geht man in Mexiko als Erstes hin auf der Suche nach ausgelassenen Partys und Spaß? Jor nicht ganz, Cancún war fast richtig – es wurde Tulum: Palmen, lange weiße Sandstrände, Beachclubs und jede Menge Cerveza, Margarita und auch sonst einfach alles, was die Getränkekarte her gibt. Vor Ort dann erst mal die kleinlaute Feststellung, dass wir mit unsren 31&32 Jahren ganz knapp an der Grenze vorbei geschrappt sind einfach schon zu alt für die Scheiße zu sein, wurden wir getränketechnisch erst mal nicht enttäuscht. Dass es dann aber gleich so unfassbar viele partywütige Touris aller Nationen sein müsse… auf dem Weg zum Strand hat sich das in einem tagtäglichen Verkehrschaos entladen. Egal. Leicht beschwipst von den drölf Cervezas konnte man uns die Laune auf unseren Klapperrädern, mit welchen wir uns ins Getümmel stürzen nicht vermiesen.

Als kulturell interessierte:r Mitteleuropäer:in ist es natürlich die erste Bürger:innenpflicht sich zusätzlich interessiert an Land und Leuten zu zeigen. Maya Stätten besichtigen, in Cenoten schwimmen zu gehen, „einsame“ Inseln erkunden… Was man halt so macht. 

Schluss mit Lustig und Augen auf vor der bitteren Realität

Was soll ich sagen? Es kam, was kommen musste. In Valladolid angekommen, einem Städtchen im Osten des mexikanischen Bundesstaates Yucatán, stand wieder einmal der Besuch einer malerischen Cenote ins Haus. 

Info

Cenoten sind übrigens Karsthöhle mit Grundwasserzugang. Durch den Einsturz der Höhlendecke werden kristallklare, blau schimmernde Quellen sichtbar. Auf der Suche nach Wasser wachsen von oben oft Lianen hinein. Es sieht wunderschön und unfassbar verwunschen aus.

Aufgrund des dauerhaften Bewegungsmangels haben wir uns Räder geschnappt, bei Google die Route eingegeben und sind los gestrampelt – immer schön den Anweisungen von Google Maps folge leisten. Über kleine Straßen durch die koloniale Innenstadt, an den Ortsausgang rauf auf idyllische Feldwege. Doch dann war mit einem Mal rum mit Idylle.

Der Weg war links und rechts gesäumt von unglaublich viel Unrat: Matratzen, kaputten Kloschüssseln und immer wieder leere Plastik-/Styroporverpackungen. Riesige schwarze Geiervögel saßen in den Bäumen, auf der Straße und beobachten uns. Unbehagen und Beklemmungsgefühle stellen sich bei uns ein, immer in der Hoffnung diese Hundertschaft riesigen Geier würde uns nicht angreifen.
Wir strampelten zaghaft weiter, wie sich plötzlich eine gigantische, teilweise brennende Müllhalde neben uns auftat. So weit das Auge reichte Müll. Essensreste, um die sich die Geier stritten, Skelette aller vorstellbarer Tiere, schwarze, bis an den Anschlag vollgestopfte schwarze Säcke – Müll. Müll und noch mehr Müll.

Apathisch fuhren wir weiter um keine 200m weiter an einer wunderschönen Cenote raus zu kommen, wo sich bereits schon wieder zig Touris im Wasser tummelten. Von Müllbergen nichts zu sehen.

Realität in your face

Zunächst: Klar! Was haben wir eigentlich bisher gedacht, wo der ganze Müll dieser abertausend Touristen und von uns hin soll? Direkt ins Meer, dass wir es nicht sehen müssen? Oder einfach mal ein bisschen schneller, besser und effektiver verbrennen? Wie wärs???

Die Stimmung bei uns war absolut hinüber. Uns war absolut zum heulen zu Mute. Der Illusion des Paradieses beraubt fiel es uns wie Schuppen von den Augen: wir sind Schuld an diesen Bergen von Müll. Zwei von drei Müllsäcken kommen aus Hotels und damit von uns. Und das ist nur das, was wir sehen. Der Boden in Yucatán ist sehr kalkhaltig, somit durchlässig und kann das Grundwasser daher nicht besonders gut filtern. Es ist daher eine Illusion zu glauben, dass die Cenote, welche wir an diesem Tag besucht haben von dem Müllberg in der direkten Nachbarschaft nichts aufs Schlimmste in Mitleidenschaft gezogen wird. Dazu kommen hunderte Besucher:innen tagtäglich, um sich an Lianen ins Wasser zu schwingen. Die Cenoten sind absolut überlastet. Wir waren nicht im Wasser, aber das macht es keinen Deut besser. 

Aber ich muss viiiel früher anfangen: ich bin da hin geflogen!!! Geflogen!! Bin mit alten Kuttern über den Golf von Mexiko geschippert und habe überall meinen Fußabdruck hinterlassen. Und warum? Auf der Suche nach Spaß und dass ich nach 4 Wochen braungebrannt nach Hause komme und alle sagen „boar, bist du braun. 😍“. 

F**k off sag ich da mal. Ich habe keine Lösung und will bitte von niemandem die Absolution. Ich habe ein unfassbar schlechtes Gewissen, mit dem ich jetzt leben muss. Trotz meiner Erfahrungen kann ich nicht mal dafür garantieren, dass ich nie wieder eine Fernreise unternehme. Für den Moment habe ich aber die Nase gestrichen voll und kann eins ganz sicher sagen: ich werde zuhause noch dankbarer sein für das, was wir haben und noch mehr an meinem grünen Fußabdruck arbeiten. Ich hoffe mir fällt noch etwas viel Besseres ein, das ich tun kann. Weil nachdem ich diesen Müllberg gesehen habe weiß ich eins ganz sicher: ab und zu das Auto stehen zu lassen und das Fahrrad zu nehmen ist zu wenig! 

Eure Laura

19. Januar 2022

Gründerin, CEO
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